Das Klima wird von kritischen Kipp-Punkten gesteuert – jetzt wurden solche langfristig wirksamen Mechanismen auch für den Monsun-Regen entdeckt.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Es ist eine Entdeckung, die nicht nur für Meteorologen von Bedeutung ist: Die Atmosphäre kann sich „erinnern“. Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben einen Mechanismus identifiziert, der das Verhalten des Monsuns erklären könnte – und damit das Leben von Milliarden Menschen beeinflusst.
Wenn die Atmosphäre hin- und her schaltet
Das Forschungsteam um Anja Katzenberger hat gezeigt, dass die Atmosphäre in bestimmten Situationen ein Gedächtnis entwickelt. „Die Atmosphäre kann sich an ihren vorherigen Zustand ‚erinnern‘, das heißt, sie speichert physikalische Informationen in Form von Wasserdampf“, erklärt die PIK-Wissenschaftlerin. Diese gespeicherte Feuchtigkeit bildet die Grundlage für ein Verhalten, das die Forschenden als Bistabilität bezeichnen – ein Umschalten zwischen Trockenheit und Regen, das nicht kontinuierlich, sondern abrupt erfolgt.
Kipppunkte und ihre Folgen
Im Frühjahr beginnt die Atmosphäre über Tage und Wochen hinweg, Wasserdampf zu speichern. Erst wenn ein Schwellenwert von rund 35 Kilogramm Wasserdampf pro Quadratmeter erreicht wird, setzt der Monsun ein. Im Herbst hingegen bleibt die Atmosphäre lange feucht, auch wenn die Sonneneinstrahlung abnimmt.
Die Forschenden sprechen von einem Kipppunkt im atmosphärischen System. Sobald dieser überschritten wird, tritt der Monsun ein – oder er hört auf. Anders Levermann beschreibt das Verhalten der Monsunregen als „Schalterverhalten“. „Besonders ist aber, dass der Monsun jedes Jahr seinen Kipppunkt überschreitet und dann wieder zurückkommt“, so Levermann. Die Entdeckung könnte künftig helfen, Frühwarnsysteme für Monsunregionen zu entwickeln, die Milliarden Menschen vor extremen Wetterereignissen schützen könnten.
Von Computermodellen zum globalen Monsun
Um den Mechanismus des atmosphärischen Gedächtnisses zu verstehen, nutzten die Forschenden unter anderem ein dreidimensionales Computermodell, das an der Princeton University entwickelt wurde. In diesen Simulationen konnten sie den Einfluss von Ozeanen und anderen langsamen Klimakomponenten isolieren und so das reine Verhalten der Atmosphäre untersuchen. Ergebnis: Auch ohne die Trägheit des Ozeans zeigte die Atmosphäre ein bistabiles Verhalten – eine Art Erinnerungseffekt, der sich allein durch Wasserdampf aufrechterhält.
Bedrohtes Gleichgewicht
Was passiert, wenn dieser empfindliche Mechanismus aus dem Takt gerät? Diese Frage bleibt offen. Doch fest steht: Die Entdeckung des atmosphärischen Gedächtnisses zeigt, wie fragil die Mechanismen sind, die den globalen Monsun antreiben. Sollte dieser innere Rhythmus gestört werden, etwa durch Luftverschmutzung oder globale Erwärmung, könnte das Monsunsystem aus dem Takt geraten, warnt Levermann: „Das hätte gravierende Folgen für Milliarden Menschen, die in Regionen wie Indien, Indonesien, Brasilien und China vom Monsun abhängen – und es würde das Klimasystem und unsere Gesellschaft global beeinflussen.„
Kurzinfo: Monsun als atmosphärisches Gedächtnis
- Speichermechanismus: Wasserdampf sammelt sich über Wochen in der Atmosphäre
- Kipppunkt: 35 kg Wasserdampf pro Quadratmeter
- Folgen: Ausfall oder Verstärkung des Monsuns
- Risiko: Störungen durch Klimawandel und Luftverschmutzung
- Betroffene Regionen: Indien, China, Indonesien, Brasilien
Originalstudie:
Anja Katzenberger & Anders Levermann (2025): Monsoon Hysteresis reveals Atmospheric Memory. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America PNAS. [DOI: 10.1073/pnas.2418093122]
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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