Öko-Institut fordert nachhaltige Rechenzentren – energieeffizient & mit Bürgerbeteiligung geplant

Öko-Institut fordert nachhaltige Rechenzentren – energieeffizient & mit Bürgerbeteiligung geplant

Rechenzentren verbrauchen nicht nur viel Strom, sondern auch enorme Mengen Wasser – zum einen direkt für die Kühlung, indirekt aber auch durch den hohen Wasserbedarf der Energielieferanten.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Noch vor wenigen Jahren waren Rechenzentren so etwas wie die graue Eminenz der Digitalisierung – fensterlose Gebäude im städtebaulichen Nirgendwo, in denen fern von der Öffentlichkeit immenso Datenströme in anonymen Serverracks pulsieren. Heute rücken diese Orte dagegen ins Scheinwerferlicht der energiepolitischen Debatte. Denn ihre rapide wachsende Nachfrage nach Strom und Wasser macht sich immer stärker bemerkbar, während Städte und Gemeinden um Flächen und Ressourcen ringen. Nun legt das Öko-Institut ein Policy Brief vor, das den Kurs für eine nationale Rechenzentrumsstrategie mitprägen soll.

Energiehunger mit Folgen

Schon jetzt verschlingen deutsche Rechenzentren jährlich rund 26 Terawattstunden Strom – etwa fünf Prozent des gesamten Verbrauchs im Land. Prognosen zufolge könnte sich dieser Anteil bis 2030 verdoppeln. Damit wächst auch der Druck auf die Politik. Denn ohne klare Leitplanken droht die Branche zum Bremsklotz der Energiewende zu werden. Jens Gröger, Forschungskoordinator am Öko-Institut, warnt: „Rechenzentren dürfen nicht zur Belastung für Klima und Gesellschaft werden. Sie müssen stattdessen einen aktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Das bedeutet: Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien, Nutzung der Abwärme zur Wärmewende und Flexibilisierung des Energiebedarfs zur Netzstabilisierung.“

Auch die Kühlung bleibt ein Problem: Wasserverbrauch und mögliche Konflikte mit lokalen Versorgern sorgen vielerorts für Unruhe.

Akzeptanz durch Beteiligung

Neben der Technik spielt auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine Schlüsselrolle. Rechenzentren können Arbeitsplätze bringen, Abwärme in Wärmenetze speisen oder die kommunale Infrastruktur stärken. Gleichzeitig gibt es Sorgen um steigende Strompreise oder den Verlust von Landschaft. Transparente Verfahren und frühe Bürgerbeteiligung sollen hier Vertrauen schaffen.

Das Öko-Institut empfiehlt deshalb, Anwohnerinnen und Anwohner früh einzubinden. Kommunen könnten so gemeinsam mit den Betreibern Lösungen finden, die Belastungen minimieren und Chancen ausschöpfen. Eine klare Standortwahl gehört ebenfalls dazu: Gebaut werden sollte nur dort, wo ausreichend erneuerbare Energien vorhanden sind, wo keine Wasserknappheit herrscht und die Abwärme sinnvoll genutzt werden kann.

Mindeststandards statt Lippenbekenntnisse

Um all dies verbindlich zu machen, plädiert das Öko-Institut für klare Vorgaben der Bundesregierung. Dazu zählen Effizienzstandards nach dem Umweltzeichen Blauer Engel, regelmäßige Veröffentlichungen von Strom- und Effizienzkennzahlen sowie die Pflicht, hundert Prozent des Stroms zeitgleich aus erneuerbaren Quellen zu decken.

Auch die Kostenfrage spielt eine Rolle. Der Ausbau von Netzen und erneuerbarer Energie soll nicht einseitig der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Betreiber müssten selbst investieren und dabei Verantwortung übernehmen. Ein weiterer Baustein: flexible Laststeuerung. Rechenzentren sollen ihren Stromverbrauch an das Angebot im Netz anpassen – eine Maßnahme, die nicht nur Kosten senken, sondern auch die Stabilität erhöhen kann.

Abwärme als Schatz

Oft ungenutzt verpufft die Hitze der Serverhallen in der Luft. Dabei könnte sie ganze Wohnquartiere heizen. Gröger betont: „Rechenzentren der Zukunft müssen wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich tragfähig sein. Nur wenn diese drei Dimensionen zusammen berücksichtigt werden, kann der Rechenzentrumsstandort Deutschland nachhaltig und souverän wachsen.“

Das Prinzip der Kreislaufnutzung ist dabei zentral: Was an Energie eingespeist wird, soll auch an anderer Stelle wieder genutzt werden. So ließe sich fossiles Heizen reduzieren und der lokale Mehrwert steigern.

Deutschland zwischen Standortpolitik und Nachhaltigkeit

Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung will mit seiner Rechenzentrumsstrategie den Standort Deutschland attraktiver machen. Doch Attraktivität allein reicht nicht. Das Policy Brief des Öko-Instituts plädiert für eine Balance zwischen ökonomischen Interessen, ökologischen Notwendigkeiten und gesellschaftlicher Einbindung.

Die Strategie ist mehr als ein technisches Regelwerk – sie ist ein Lackmustest dafür, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammengeführt werden können. Ob daraus ein Zukunftsmodell für Europa wird, hängt nun davon ab, wie konsequent Politik und Betreiber handeln.


Kurzinfo: Nachhaltige Rechenzentrumsstrategie

  • Stromverbrauch von Rechenzentren: 26 Terawattstunden jährlich, Tendenz stark steigend
  • Anteil am Stromverbrauch: rund fünf Prozent in Deutschland, Verdopplung bis 2030 möglich
  • Öko-Institut fordert klare Mindeststandards für Effizienz, Transparenz und erneuerbare Energien
  • Standortwahl soll ökologische Kriterien berücksichtigen und Wasserknappheit vermeiden
  • Bürgerbeteiligung gilt als Schlüssel für Akzeptanz vor Ort
  • Abwärmenutzung kann fossile Heizungen ersetzen und lokale Wärmenetze stärken
  • Betreiber sollen in erneuerbare Energien und Netze investieren
  • Flexibler Stromverbrauch soll Netzstabilität sichern
  • Ziel: Verbindung von Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Tragfähigkeit
  • Originalquelle: Policy Brief des Öko-Instituts zur nationalen Rechenzentrumsstrategie

Originalpublikation:
Policy Brief „Nationale Rechenzentrumsstrategie“ des Öko-Instituts (https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/PB-Nationale-RZ-Strategie.pdf)

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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