Das Raumschiff Erde hat nur begrenzte Reserven – wir dürfen die Lebenserhaltungssysteme nicht überstrapazieren.
(Bild: Redaktion/Pablo Ignacio Paspartú)
Die Menschheit steht an einem Scheideweg. Ein neuer Bericht im Wissenschaftsmagazin Nature skizziert, wie die Erde aussehen könnte, wenn die Politik weiter so handelt wie bisher – und wie sie aussehen könnte, wenn ambitionierte Maßnahmen umgesetzt werden. Die Studie, die vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mitverfasst wurde, nutzt erstmals das Konzept der planetaren Grenzen als Grundlage für Zukunftsszenarien.
Was sind planetare Grenzen?
Die planetaren Grenzen wurden 2009 von Johan Rockström und seinem Forschungsteam definiert. Es handelt sich um neun ökologische Systeme, deren Stabilität das Überleben der Menschheit sichern soll – von der Klimastabilität über den Stickstoffkreislauf bis zur Integrität der Biosphäre. Überschreiten wir diese Grenzen, steigt das Risiko für katastrophale Umweltveränderungen. „Die menschliche Zivilisation steht an einem kritischen Punkt – und wir zeigen mit einer neuartigen Methodik, wie sie sich weiterentwickeln kann, ohne ihre natürlichen Lebensgrundlagen zu ruinieren„, sagt Rockström.
Die düstere Prognose
In einem Szenario ohne weitere Maßnahmen sieht die Studie bis 2100 eine deutliche Verschlechterung fast aller Systeme, darunter Klima, Stickstoffkreislauf und Landnutzung. Schon bis 2050 könnten einige Grenzen derart überschritten sein, dass sich die Umwelt nicht mehr erholt. Lediglich die Ozonschicht und die Luftverschmutzung würden sich verbessern. Dies bedeutet, dass selbst ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen, wie sie im Pariser Abkommen festgelegt wurden, nicht ausreichen werden, um die planetaren Systeme zu stabilisieren.
Die Hoffnungsträger
Doch es gibt auch Lichtblicke. Die Forscher modellierten ein Szenario, in dem die Klimapolitik durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt wird. Dazu gehört eine fleischärmere Ernährung, die Halbierung von Lebensmittelabfällen und ein effizienterer Umgang mit Wasser und Nährstoffen. In diesem Fall würde sich der Zustand der Erde bis 2050 stabilisieren und bis 2100 sogar verbessern. Dennoch bleibt die Lage angespannt. „Selbst in diesem Szenario sind im Jahr 2100 immer noch planetare Belastungsgrenzen überschritten„, so van Vuuren.
Zusätzlich hebt die Studie hervor, dass es nicht nur auf die politischen Maßnahmen ankommt, sondern auch auf den individuellen Lebensstil. Reduziertes Konsumverhalten, eine Abkehr von ressourcenintensiven Lebensstilen und eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien könnten entscheidende Stellschrauben sein, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Was nun?
Die Studie liefert keine Patentrezepte, wohl aber ein Navigationssystem für die Politik. Die Forschenden fordern, nicht nur den Klimaschutz voranzutreiben, sondern auch auf andere Bereiche wie die Landwirtschaft, die Wasserwirtschaft und den Konsum zu schauen. „Die Suche nach noch besseren Politik-Maßnahmen bleibt also auf der Tagesordnung“, fasst van Vuuren zusammen. Auch Rockström betont: „Dies ist die bislang umfassendste Verknüpfung des Konzepts der planetaren Grenzen mit Daten aus modellgestützten Zukunftsszenarien. Das Ergebnis ist ein wertvolles Navigationssystem für die Politik.“
Ob die Menschheit diesen Kurswechsel vollzieht, bleibt offen – die Weichen dafür müssten jedoch jetzt gestellt werden. Denn die planetaren Grenzen sind kein starres System: Je weiter sie überschritten werden, desto schwieriger wird es, sie wieder einzuhalten.
Kurzinfo IMAGE-Bewertungsmodell
- Forschungsteam: Leitung durch Detlef van Vuuren (Universität Utrecht) und Johan Rockström (PIK)
- Methodik: Integriertes Bewertungsmodell IMAGE zur Simulation von Umweltbelastungen bis 2100
- Maßnahmen: Klimaschutz, fleischärmere Ernährung, Abfallreduktion, Ressourceneffizienz
- Ziel: Stabilisierung der Erdsysteme und langfristige Erholung
Originalpublikation:
van Vuuren et al. (2025): Exploring pathways for world development within planetary boundaries. – Nature.
[DOI: 10.1038/s41586-025-08928-w] https://www.nature.com/articles/s41586-025-08928-w
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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