Sonnenfilter mit Nebenwirkungen: warum Geoengineering riskant bleibt

Sonnenfilter mit Nebenwirkungen: warum Geoengineering riskant bleibt

Das Fazit der Forschenden fällt ernüchternd aus: die gezielte Einbringung von Aerosolen in die Stratosphäre ist kein technisches Wundermittel, sondern eine riskante Notmaßnahme mit unklaren Folgen.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


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Kurzinfo: Geoengineering gegen den Klimawandel
• Methode: Stratospheric Aerosol Injection (SAI) zur Reflexion von Sonnenlicht
• Forschung: Columbia University(2025)
•Risiken: Monsunstörungen, Ozonabbau, saurer Regen, wirtschaftliche Kosten
• Alternativen: Calciumcarbonat, Aluminiumoxid, Titandioxid, Diamantstaub
• Fazit: SAI technisch, politisch und ökonomisch hoch riskant


Die Idee klingt nach einer technischen Allzweckwaffe gegen die Erderwärmung: Feine Partikel in die obere Atmosphäre sprühen, um einen Teil des Sonnenlichts zurück ins All zu reflektieren. „Solar Geoengineering“ heißt das Prinzip, genauer: Stratospheric Aerosol Injection (SAI). Es soll das Klima kühlen, indem es das tut, was große Vulkanausbrüche schon einmal geschafft haben – die Erde verdunkeln. Doch Forschende der Columbia University zeigen nun, dass die Praxis weit schwieriger ist, als viele Simulationen glauben machen.

Ideale Modelle, unvollkommene Welt

Die Studie, erschienen in Scientific Reports, legt dar, wie groß die Kluft zwischen Theorie und Wirklichkeit ist. In Klimamodellen funktioniert die Methode perfekt: Partikel haben exakt die richtige Größe, sie verteilen sich gleichmäßig über die Atmosphäre, wirken zuverlässig. Doch in der Realität gibt es keine idealen Bedingungen.
„Selbst wenn Simulationen von SAI in Klimamodellen ausgefeilt sind, bleiben sie notwendigerweise idealisiert“, erklärt die Atmosphärenchemikerin V. Faye McNeill von der Columbia University. „In der Praxis zeigt sich, wie groß die Unsicherheiten tatsächlich sind.“

Nicht nur physikalisch, auch politisch sei die Umsetzung hochkomplex. Denn wer entscheidet, wann und wo die Sonne gedimmt wird? Ein Eingriff in das globale Klima erfordert koordinierte Steuerung – ein politisches Szenario, das derzeit kaum vorstellbar ist.

Falscher Ort, falsche Zeit – falsche Wirkung

Ob die Maßnahme Erfolg hat oder Schaden anrichtet, hängt entscheidend vom Ort und Zeitpunkt der Partikelfreisetzung ab.
„Es ist nicht einfach eine Frage, fünf Teragramm Schwefel in die Atmosphäre zu bringen. Es kommt darauf an, wo und wann man es tut“, betont McNeill.

Partikel, die über den Polarregionen ausgebracht werden, könnten tropische Monsune stören; eine Konzentration über dem Äquator würde die Jetstreams verändern und die globalen Windströme verschieben. Schon das Beispiel des Vulkanausbruchs des Pinatubo 1991 zeigt, dass solche Effekte dramatische Nebenwirkungen haben können: Während die Erde kurzfristig abkühlte, brach der indische Monsun ein – mit Folgen für Millionen Menschen.

Von Diamantstaub bis Kalk

Zwar kühlen Schwefelverbindungen die Atmosphäre effektiv, doch sie greifen die Ozonschicht an und verursachen sauren Regen. Daher suchen Forschende nach Alternativen – von Calciumcarbonat über Aluminiumoxid bis hin zu Diamantstaub. Aber auch diese Stoffe haben Grenzen.
„Viele der vorgeschlagenen Materialien sind gar nicht in ausreichender Menge verfügbar“, sagt Miranda Hack, Aerosolforscherin an der Columbia University und Hauptautorin der Studie. „Und selbst wenn man sie hätte, verklumpen sie leicht zu größeren Partikeln – dann verlieren sie ihre Wirkung.“

Die Modelle zeigen: Statt das Sonnenlicht fein zu streuen, bilden sich Aggregate, die weniger reflektieren und unvorhersehbare Klimaeffekte erzeugen könnten. Dazu kommen wirtschaftliche Risiken. Die Herstellung und Verteilung solcher Partikel in globalem Maßstab wäre extrem teuer und könnte Lieferketten massiv belasten.

Zwischen Versuchung und Verantwortung

Am Ende bleibt die Frage, ob man ein so sensibles System wie das Klima überhaupt gezielt „steuern“ kann. „Beim Solar-Geoengineering geht es immer um Ausbalancierung von Risiken“, sagt der Klimaökonom Gernot Wagner von der Columbia Business School. „In der Praxis wird es niemals so laufen, wie 99 Prozent der Modellrechnungen es annehmen.“

Das Fazit der Forschenden fällt ernüchternd aus: SAI ist kein technisches Wundermittel, sondern eine riskante Notmaßnahme mit unklaren Folgen.


Originalpublikation:
V. Faye McNeill et al.,
Engineering and logistical concerns add practical limitations to stratospheric aerosol injection strategies
In: Scientific Reports (21-Oct-2025)

DOI: 10.1038/s41598-025-20447-2

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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