Süchtig nach dem nächsten Swipe

Süchtig nach dem nächsten Swipe

„Hallo! Realität Eins punkt Null!“: In der Generation Z liegt der Anteil der Suchtgefährdeten in Sachen Social Media besonders hoch, hat eine neue Studie festgestellt.

(Bild: Redaktion/PiPapu)


Wenn morgens der Wecker klingelt, greifen viele Menschen nicht mehr zuerst nach der Kaffeetasse, sondern nach dem Handy. TikTok, Instagram, WhatsApp – ein endloser Strom aus Reizen, Posts und Videos, der viele durch den Tag begleitet. Doch wie viel ist zu viel? Eine neue Studie von YouGov in Kooperation mit der Hochschule Macromedia zeigt: Rund 15 Prozent der Deutschen nutzen soziale Medien in einem Maße, das laut wissenschaftlicher Skala als suchtgefährdet gilt.

Besonders gefährdet: Generation Z und Millennials

Am stärksten betroffen sind junge Menschen. In der Generation Z – also den 18- bis 28-Jährigen – liegt der Anteil der Gefährdeten bei 25 Prozent. Bei den Millennials (29–44 Jahre) sogar bei 26 Prozent. Damit ist mehr als jede vierte Person in diesen Altersgruppen laut „Bergen Social Media Addiction Scale“ (BSMAS) gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Die Skala misst anhand von sechs Kriterien wie Entzugserscheinungen, Rückfällen oder der gedanklichen Dauerbeschäftigung mit sozialen Medien.

Etwa ein Viertel der Gen Z und Millennials zeigt problematische Social-Media-Nutzung: Viele flüchten sich in soziale Medien, um dem Alltag zu entkommen und scheitern oft beim Versuch, ihren Konsum zu begrenzen. Das zeigt ein Blick in die einzelnen Aspekte der von uns verwendeten Sucht-Skala“, sagt Prof. Dr. René Arnold von der Hochschule Macromedia.

Die unsichtbare Grenze zwischen Vielnutzung und Sucht

Interessant ist, dass nicht jede intensive Nutzung automatisch problematisch ist. „TikTok und Instagram machen es leicht, die Zeit zu vergessen. Das ist Teil ihres Erfolgs. Aber: Intensive Nutzung ist nicht gleich problematisch. Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, zwischen Vielnutzung und Sucht zu unterscheiden und Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen“, erklärt Sven Runge, Head of Research bei YouGov Deutschland.

Die Studie zeigt dennoch: Die Schwelle zur Abhängigkeit kann schnell überschritten werden. Besonders Plattformen mit endlosem Scroll-Design, kurzen Videoloops und algorithmisch gefilterten Reizen fördern ein Verhalten, das auf Dauer in den Alltag eingreift – und das nicht nur psychisch, sondern auch beruflich.

Negative Auswirkungen auf Job und Studium

60 Prozent der Befragten geben zwar an, keine negativen Auswirkungen durch Social Media auf ihre Arbeit oder ihr Studium zu erleben. Doch bei genauerem Blick zeigen sich große Unterschiede: In der Generation Z sagen nur noch 34 Prozent, dass ihre berufliche oder akademische Leistung unbeeinträchtigt bleibt. Zwei Drittel der jungen Menschen geben an, dass sie bereits mindestens gelegentlich negative Effekte spüren – von Konzentrationsproblemen über Zeitverlust bis hin zu Leistungseinbußen. Auch unter den Millennials berichten fast die Hälfte (49 Prozent) von Beeinträchtigungen. Generation X und die Baby Boomer sehen die Lage gelassener: Mehr als zwei Drittel dieser Altersgruppen sehen bislang keinen Einfluss auf ihren Arbeitsalltag.

TikTok und Instagram: Die stärksten Magneten

Besonders hoch ist das Suchtpotenzial bei TikTok und Instagram. In der Studie wurde gemessen, wie schwer es Nutzerinnen und Nutzern fällt, mit dem Konsum aufzuhören – auf einer Skala von 0 bis 100. TikTok liegt dabei mit 58 Punkten an der Spitze, Instagram folgt mit 55 Punkten. Bei Gen Z steigen die Werte sogar auf 70 beziehungsweise 65 Punkte. Auch bei den Millennials bleiben die Werte hoch (62 und 63 Punkte). Frauen zeigen laut Studie eine stärkere Tendenz, auf diesen Plattformen „hängen zu bleiben“. Die visuelle Gestaltung, schnelle Reize und personalisierte Inhalte machen es schwer, das Gerät aus der Hand zu legen – selbst wenn man es möchte.

Was tun gegen den digitalen Sog?

Die Studie macht deutlich: Es braucht mehr Bewusstsein für das eigene Nutzungsverhalten. Expertinnen und Experten fordern deshalb Aufklärung – und einen bewussteren Umgang mit sozialen Medien. Besonders bei jungen Menschen könnten Schulungen zum Thema Medienkompetenz helfen, schädliche Nutzungsmuster früh zu erkennen. Gleichzeitig liegt ein Teil der Verantwortung bei den Plattformen selbst: Der Aufbau vieler Apps ist gezielt darauf ausgerichtet, Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange zu binden. Sogenannte „Dark Patterns“ – etwa das automatische Abspielen des nächsten Clips oder gezielte Push-Benachrichtigungen – machen es schwer, auszusteigen.


Kurzinfo: Social Media & Sucht

  • Studie: YouGov & Hochschule Macromedia, Mai 2025
  • Teilnehmerzahl: 2.033 Befragte
  • 15 Prozent der Deutschen gelten als suchtgefährdet
  • BSMAS-Skala: Bewertet sechs Dimensionen (u. a. Entzug, Rückfall, Konflikte)
  • Gen Z & Millennials: Besonders hohe Suchtwerte bei TikTok & Instagram
  • Höchste Werte: TikTok (70 Punkte), Instagram (65) – jeweils bei Gen Z
  • Frauen: Verweilen tendenziell länger in den Apps
  • Negative Folgen: Besonders oft im Studium und Berufsalltag junger Menschen
  • Appell: Medienkompetenz stärken, Plattformverantwortung einfordern

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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