Wie tauender Permafrost-Boden das Klima-Budget schrumpfen lässt

Wie tauender Permafrost-Boden das Klima-Budget schrumpfen lässt

Besonders spektakuläres Zeichen für auftauende Permafrost-Böden sind sogenannte Gasausbruchskrater: Steigende Sommer- und Herbsttemperaturen führen zur plötzlichen Freisetzung von Gasblasen aus Methan.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Im hohen Norden verbirgt sich ein bedrohliches Klimarisiko: Milliarden Tonnen Kohlenstoff, eingeschlossen in metertief gefrorenem Boden. Solange der Permafrost hart bleibt, bleibt auch dieses Depot versiegelt. Doch die globale Erwärmung taut die Böden langsam, manchmal abrupt – und setzt Treibhausgase frei, die das Weltklima weiter anheizen. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Meteorologie zeigt nun, wie stark dieser Effekt die Spielräume für Klimapolitik tatsächlich einengt.

Klimaziele mit Unsicherheiten

Das Pariser Abkommen definiert eine klare Leitplanke: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden. Doch wie viel Kohlenstoff die Menschheit dafür noch ausstoßen darf, hängt von vielen Faktoren ab. Laut Global Carbon Project beträgt das verbleibende Budget für eine 50-prozentige Chance, die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten, rund 305 Gigatonnen Kohlenstoff. Dieses Budget schmilzt, sobald zusätzliche Quellen wie der tauende Permafrost mitgerechnet werden.

Denn dort lagern riesige Mengen organischer Substanz, die seit Jahrtausenden gefroren ist. Steigen die Temperaturen, zersetzen Mikroben das Material und setzen Kohlendioxid und Methan frei. Die jetzt veröffentlichte Studie beziffert erstmals genau, wie sehr dieser Mechanismus die Kalkulationen verändert.

Ein Fünftel weniger Spielraum

Das von Goran Georgievski geleitete Forschungsteam nutzte das Erdsystemmodell des MPI und simulierte verschiedene Szenarien bis ins Jahr 2300. Ergebnis: Bei einem Zwei-Grad-Ziel gelangen bis zu 122 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost in die Atmosphäre – bei drei Grad Erwärmung sogar 229 Gigatonnen. Drei Viertel davon steigen als Treibhausgase auf.

Für die Klimapolitik heißt das: Das verbleibende Budget schrumpft beim Zwei-Grad-Ziel um rund 13 Prozent, allein im 21. Jahrhundert um bis zu 20 Prozent. „Diese Zahlen sind zwar nicht eklatant hoch, aber sie sind auch nicht zu vernachlässigen“, sagt Hauptautor Georgievski.

Der Kipppunkt im Untergrund

Besonders heikel ist, dass der Prozess nicht gleichmäßig verläuft. Neben dem langsamen Auftauen können lokale, abrupte Veränderungen auftreten. Georgievski warnt: „Neben den allmählichen Veränderungen kann es jedoch in bestimmten Gebieten zu einem plötzlichen und dramatischen Auftauen des Permafrostbodens kommen, was zu Abbrüchen, Bodensenkungen und der Bildung von Thermokarstseen führt.

Solche Prozesse stoßen kurzfristig große Mengen an Treibhausgasen aus – und verändern zugleich die Landschaft. Thermokarstseen reflektieren weniger Sonnenlicht, Vegetation verschwindet oder verändert sich, die Albedo sinkt. Damit verstärken sich die Erwärmungseffekte zusätzlich.

Verschobene Emissionspfade

Die Simulationen zeigen, dass die Unterschiede zwischen Szenarien mit und ohne Permafrost zunächst kaum auffallen. Doch ab Mitte des Jahrhunderts weichen die Emissionspfade auseinander. Ozeane und Vegetation verlieren ihre Fähigkeit, überschüssigen Kohlenstoff aufzunehmen. Ab diesem Punkt müssten Emissionen noch schneller sinken, um die Temperaturziele zu erreichen.

Bei drei Grad Erwärmung sind die Abweichungen zwar erst gegen Ende des Jahrhunderts sichtbar, dennoch summiert sich der Effekt. Der Handlungsspielraum der Politik wird enger – und die Notwendigkeit, Emissionen frühzeitig zu senken, noch deutlicher.

Politik unter Druck

Die Studie verdeutlicht, dass Unsicherheiten wie der tauende Permafrost nicht einfach als Randfaktor abgetan werden dürfen. Victor Brovkin, Forscher am MPI, arbeitet daran, diese Prozesse besser in Klimamodelle einzubetten. Das Ziel: verlässlichere Projektionen, die auch abrupte Veränderungen abbilden.

Für die internationale Klimapolitik bedeuten die neuen Ergebnisse: Selbst wenn alle bisherigen Berechnungen korrekt sind, kann der Permafrost-Effekt Budgets und Pfade verschieben. Wer die Zwei-Grad-Grenze ernst nimmt, muss also noch konsequenter und schneller handeln.


Kurzinfo: Permafrost und Kohlenstoffbudget

  • Permafrost enthält riesige Mengen organischen Kohlenstoffs, seit Jahrtausenden gefroren
  • Tauprozesse setzen Kohlendioxid und Methan frei → verstärken die Erderwärmung
  • Neue Studie: 122 Gigatonnen Kohlenstoff bei 2°C, 229 Gigatonnen bei 3°C
  • Rund 75 Prozent davon gelangen bis 2300 in die Atmosphäre
  • Folge: Verbleibendes Kohlenstoffbudget schrumpft beim Zwei-Grad-Ziel um bis zu 20 Prozent im 21. Jahrhundert
  • Emissionspfade mit und ohne Permafrost weichen ab Mitte des Jahrhunderts auseinander
  • Abrupte lokale Veränderungen (Thermokarstseen, Bodensenkungen) verschärfen den Effekt
  • Forschung am Max-Planck-Institut für Meteorologie (Goran Georgievski, Victor Brovkin)
  • Politische Implikation: schnellerer Ausstieg aus fossilen Energien nötig

Originalpublikation:

Georgievski, G. et al.,

Permafrost thaw impact on remaining carbon budgets and emissions pathways in 2°C and 3°C global warming scenarios,

in: Earth’s Future, 13, e2024EF005153 (2025).

DOI: 10.1029/2024EF005153

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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