Wie Bienen den Himmel lesen – und was wir davon lernen können

Wie Bienen den Himmel lesen – und was wir davon lernen können

Bienen nutzen den Stand der Sonne am Himmel zur Orientierung – selbst dann, wenn sie von Wolken verdeckt wird. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung Konstanzer Forschender hat nun herausgefunden, wie ein spezieller Bereich im Auge sie dabei unterstützt.

(Bild: lupac/Pixabay)


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Wenn eine Honigbiene im Sommer über Wiesen und Felder summt, folgt sie nicht blind einem Duft. Oft entfernt sie sich kilometerweit vom Stock, erkundet unbekannte Blütenfelder – und findet doch zuverlässig zurück. Ihr Kompass ist der Himmel, selbst dann, wenn die Sonne hinter Wolken verborgen ist. Möglich macht das eine erstaunliche Fähigkeit: Bienen können das Polarisationsmuster des Lichts wahrnehmen – ein Muster, das dem menschlichen Auge verborgen bleibt.

Ein Auge wie ein Mosaik

Während Menschen mit einer einzigen Linse und Netzhaut sehen, besteht das Bienenauge aus Tausenden kleiner Facetten. Jede Facette liefert einen Teil des Bildes, das zusammengesetzt die Umwelt zeigt. Im oberen Bereich des Auges liegt jedoch eine besondere Zone. „Der Großteil der Facetten erzeugt zusammen ein scharfes Bild der Umgebung. Im oberen Bereich des Auges gibt es jedoch eine Gruppe von Facetten, die anders funktionieren und für die Erfassung des polarisierten Himmelslichts zuständig sind. Die haben wir uns genauer angesehen“, sagt Georgios Kolyfetis von der Universität Konstanz, Co-Autor der neuen Studie.

Diese Facetten sind weniger empfindlich, sodass die Biene beim Blick in den Himmel nicht geblendet wird. Das führt allerdings zu einem unscharfen Bild. „Während der Rest der Welt schärfer wiedergegeben wird, sieht der Himmel für eine Biene eher wie ein Aquarellbild aus, in dem benachbarte Pinselstriche einfach ineinander übergehen“, erklärt Studienleiter James Foster.

Unscharf und doch präzise

Was wie ein Nachteil wirkt, ist in Wahrheit eine Stärke. Denn das Verschwimmen der Details verstärkt das Signal großflächiger Muster am Himmel. So können Bienen den Stand der Sonne aus dem Polarisationlicht erschließen – unabhängig von Wolken oder Hindernissen.

Die Forschenden fanden heraus, dass die lichtempfindlichen Zellen im oberen Augenbereich direkt miteinander gekoppelt sind. Signale, die eine Zelle empfängt, beeinflussen zugleich ihre Nachbarn. „Jede einzelne Facette reagiert also auch auf das, was ihre Nachbarn sehen“, erläutert Gregor Belušič von der Universität Ljubljana. Dieses Prinzip der „räumlichen Summation“ kennt man auch vom menschlichen Sehen bei Nacht, doch bei Bienen funktioniert es permanent.

Orientierung ohne Ablenkung

Für die Tiere bedeutet das: Sie nehmen vom Himmel nur das wahr, was zählt. Wolken, Blätter oder Äste, die sich bewegen, werden ausgeblendet. „Eine Biene registriert und analysiert das Polarisationsmuster des Lichts am Himmel und schlussfolgert daraus den Stand der Sonne. Danach richtet sie dann wiederum ihren inneren Kompass aus“, fasst Kolyfetis zusammen.

Diese Reduktion aufs Wesentliche macht den Unterschied: Während wir Menschen in Details versinken, behalten Bienen den Überblick. Ihre Navigation ist damit robust, effizient – und für das Überleben eines ganzen Volkes entscheidend.

Ein Vorbild für Technik

Die biologischen Erkenntnisse haben auch technologische Relevanz. Denn sie zeigen, wie ein sehr kleines, unscharfes Sensorsystem dennoch extrem zuverlässige Informationen liefern kann. „Denkbar wäre beispielsweise eine Übertragung dieser Strategie auf die Navigation autonomer Fahrweisen. Kameras könnten als eine Art Himmelskompass dienen, wenn GPS- und Magnetsignale unzuverlässig sind oder ausfallen“, so Foster.

Ein „künstliches Bienenauge“ könnte damit für Drohnen oder Fahrzeuge ein günstiges Zusatzmodul sein, das auch bei Störungen funktioniert. Die Natur liefert hier die Blaupause für Technik, die nicht auf Präzision im Detail, sondern auf Robustheit im Ganzen setzt.


Kurzinfo: Bienenauge als Himmelskompass

  • Studie von Universitäten Konstanz & Ljubljana (2025)
  • Publiziert in Biology Letters (Royal Society Publishing)
  • Bienen sehen polarisiertes Licht, das Menschen verborgen bleibt
  • Spezielle obere Facetten im Komplexauge verantwortlich
  • Unscharfes Bild verstärkt großflächige Muster am Himmel
  • Nervenzellen direkt gekoppelt: „räumliche Summation“
  • Orientierung auch bei Wolken oder Hindernissen möglich
  • Navigation dient Heimkehr nach Nahrungssuche
  • Potenzielle Anwendung: Navigation für autonome Fahrzeuge
  • Beispiel für technische Inspiration aus der Biologie

Originalpublikation:

George E. Kolyfetis et al.,

„Electrophysiological recordings reveal photoreceptor coupling in the dorsal rim areas of honeybee and bumblebee eyes” (2025),

in: Biol. Lett. 21: 20250234;

DOI: 10.1098/rsbl.2025.0234

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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