In den Jahren der Pandemie ist die Arbeitswelt um Jahre in die Zukunft katapultiert worden – doch schaut man genauer hin, wurde hier nur ein bestehender Trend verstärkt: die Zukunft der Arbeit ist hybrid.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Es ist eine Debatte, die die Arbeitswelt spaltet – zwischen Büroturm und Küchentisch, zwischen Präsenzpflicht und Flexibilitätsversprechen. Während Konzerne wie Amazon mit klaren „Back-to-Office“-Ansagen die Schlagzeilen beherrschen, liefert das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO nun differenzierte Einblicke in das, was viele längst erleben: hybrides Arbeiten ist nicht mehr Ausnahme, sondern Regel.
Produktivität ja – Zugehörigkeit mit Abstrichen
Die Studie „Beyond Hybrid Work – Die post-hybride Arbeitswelt“ basiert auf breiten Befragungen und zeigt ein vielschichtiges Bild: 80 Prozent der Teilnehmenden geben an, im hybriden Modell produktiver zu arbeiten als zuvor. Sie schätzen die Selbstbestimmung, die Möglichkeit zur Konzentration und die reduzierte Pendelzeit. Doch die Kehrseite lässt nicht lange auf sich warten: Fast ein Drittel fühlt sich weniger eingebunden, spontane Begegnungen fehlen, neue Kolleginnen und Kollegen tun sich schwer, im Team Fuß zu fassen.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass hybride Arbeitsformen ein unverzichtbarer Bestandteil moderner und effektiver Arbeitswelten sind“, sagt Josephine Hofmann, Hauptautorin der Studie. „Unternehmen, die es schaffen, ihre Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen einzubeziehen und gleichzeitig Raum für soziale Interaktion zu schaffen, werden in Zukunft bessere Voraussetzungen haben, motivierte Mitarbeitende zu finden und zu binden.“
Hybride Modelle: Mehr als nur Homeoffice
Ein zentrales Ergebnis: Über 60 Prozent der Befragten arbeiten nahezu gleich verteilt zwischen Büro und Zuhause. Das klingt nach Balance – ist aber nicht automatisch gleichbedeutend mit Gleichgewicht. Denn die Praxis zeigt: Wer seine Woche flexibel gestaltet, braucht dennoch klare Ankerpunkte. Die Studie plädiert dafür, hybride Modelle nicht dem Zufall zu überlassen, sondern aktiv und strategisch zu gestalten – mit Präsenzzeiten, die bewusst für Austausch und Kreativität genutzt werden.
„Mehr Präsenz ist nicht automatisch besser“, so eine weitere zentrale Botschaft. Innovation und Teamgeist entstehen nicht aus reiner Anwesenheit, sondern aus sinnvoll gestalteten Begegnungsräumen – digital wie analog.
Führungsqualität entscheidet mit
Die Rolle von Führungskräften wird durch hybrides Arbeiten nicht kleiner, sondern komplexer. Laut Studie wird die Qualität der Führungsbeziehungen von vielen zwar positiv bewertet, doch bei der individuellen Unterstützung und dem Umgang mit Belastung zeigen sich deutliche Defizite. Hier offenbart sich ein blinder Fleck: Führung in hybriden Strukturen braucht neue Kompetenzen – von der Vertrauensarbeit bis zur aktiven Integration aller Teammitglieder. Hybride Führung ist mehr als Aufgabenverteilung per Video-Call. Sie braucht Feingefühl für soziale Dynamiken, ein Gespür für Isolation – und die Fähigkeit, auch auf Distanz Nähe zu schaffen.
Informelle Räume bewusst schaffen
Besonders alarmierend: Der Verlust an Spontaneität und sozialem Miteinander. Was früher an der Kaffeemaschine oder beim Flurgespräch geschah, fällt im hybriden Alltag häufig unter den Tisch. Doch genau hier entstehen Vertrauen, Ideen und Identifikation. Die Studie mahnt: Wer diese informellen Räume nicht bewusst integriert, riskiert langfristig den Zusammenhalt im Team – und damit auch Innovationsfähigkeit und Bindung.
Gefordert ist also ein neuer Blick auf Präsenz. Sie sollte nicht als Kontrolle verstanden werden, sondern als Gelegenheit für echten Austausch. Der physische Ort Büro wird dabei zur Bühne für etwas, das remote nur schwer gelingt: gelebte Kultur.
Jenseits der Lager – hin zu klugen Lösungen
Die Stärke der Fraunhofer-Studie liegt in ihrer Nüchternheit: Statt ideologischer Grabenkämpfe liefert sie empirisch fundierte Hinweise auf das, was funktioniert – und was nicht. Hybrides Arbeiten ist keine Modeerscheinung, sondern Realität. Es bringt Effizienz und Flexibilität – aber auch neue Anforderungen an Organisation, Technik und Kultur.
Der Ruf nach „Back to Office“ wird dadurch nicht überflüssig, aber differenzierter: Die Rückkehr sollte nicht auf Zwang beruhen, sondern konkrete Anreize bieten – etwa das soziale Miteinander. Die Zukunft der Arbeit ist nicht vorbestimmt, sie ist gestaltbar.
Kurzinfo: Hybrid Work-Studie
- Studientitel: Beyond Hybrid Work – Die post-hybride Arbeitswelt
- Institution: Fraunhofer IAO
- Zentrale Aussage: Hybrides Arbeiten ist etabliert, aber nicht ohne Risiken
- Produktivität: 80 Prozent berichten von Leistungssteigerung
- Soziale Erosion: 30 Prozent fühlen sich weniger integriert
- Handlungsempfehlung: Hybride Modelle aktiv gestalten, statt passiv hinnehmen
- Führung: Gute Beziehungen allein reichen nicht – individuelle Unterstützung ist entscheidend
- Zukunft: Erfolgreich ist, wer Austausch, Bindung und Flexibilität intelligent verbindet
Orginalpublikation:
Hofmann, Josephine / Rief, Stefan:
Beyond Hybrid Work – Die post-hybride Arbeitswelt
Fraunhofer IAO, 2025
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Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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