Molekularer Sensor in Blättern reagiert auf Trockenstress und schließt Poren

Molekularer Sensor in Blättern reagiert auf Trockenstress und schließt Poren

Die Wirkung des molekularen Sensors wurde im Experiment bestätigt: Wildtyp (links) und gentechnisch verbesserte Arabidopsispflanze (rechts) nach Trockenstress.

(Bild: Universität Heidelberg/COS)


Wenn es lange nicht regnet, beginnt für Pflanzen ein Wettlauf gegen die Verdunstung. Ihre Wurzeln suchen verzweifelt nach Wasser, während Sonne und Hitze die Blätter austrocknen. Doch bevor die Pflanze welkt, greift ein ausgeklügelter Schutzmechanismus: Sie schließt winzige Ventile auf ihren Blättern, um den letzten Tropfen zu bewahren. Wie diese Reaktion im Detail gesteuert wird, haben Forschende der Universität Heidelberg nun entschlüsselt.

Ein Sensor im grünen Kraftwerk

Das Team um Prof. Dr. Rüdiger Hell und Dr. Markus Wirtz vom Centre for Organismal Studies (COS) hat herausgefunden, dass ein in den Chloroplasten vorkommender Eiweißkomplex – der sogenannte Cystein-Synthase-Komplex – dabei eine entscheidende Rolle spielt. Er funktioniert wie ein molekularer Sensor, der Stresssignale aus verschiedenen Quellen aufnimmt und verarbeitet. „Wenn der in den Chloroplasten lokalisierte Cystein-Synthase-Komplex durch eines dieser Stresssignale aktiviert wird, regt er die ABA-Biosynthese in den Schließzellen an und sorgt dafür, dass sich die Poren auf den Blättern schließen. Auf diese Weise spart die Pflanze Wasser,“ erläutern Hell und Wirtz.

Damit ist klar: Der Schutz vor Trockenstress beginnt nicht erst in der Wurzel, sondern in den Photosynthesezentren der Blätter – genau dort, wo Licht in Lebensenergie umgewandelt wird. Der Cystein-Synthase-Komplex entscheidet, wann die Pflanze ihr „Fenster“ zur Außenwelt schließt.

Signale aus Wurzel und Licht

Der Mechanismus beruht auf einem fein abgestimmten Zusammenspiel zwischen Boden, Wurzel und Blatt. Wenn der Boden austrocknet, transportiert die Pflanze chemische Botenstoffe nach oben – etwa Sulfat oder kleine Eiweißmoleküle. Diese erreichen die Chloroplasten und lösen dort gemeinsam mit Signalen aus starker Sonneneinstrahlung die Bildung des Hormons Abscisinsäure (ABA) aus.

Dieses Hormon sorgt wiederum dafür, dass sich die winzigen Poren, die sogenannten Stomata, schließen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Stoffwechsel in den Chloroplasten nicht nur Bausteine durch die Photosynthese liefert, sondern auch aktiv auf Stresssignale reagiert und so die Anpassungen der Pflanze an Umweltbedingungen wie Trockenheit genau steuert,“ so die Heidelberger Forscher.

Das Geheimnis der grünen Anpassung

Die Entdeckung hat auch eine philosophische Dimension: Pflanzen sind alles andere als passive Opfer ihrer Umwelt. Sie analysieren ihre Umgebung, wägen ab und reagieren mit erstaunlicher Effizienz. Während Tiere fliehen oder Schutz suchen, reagieren Pflanzen chemisch – und das mit mikroskopischer Präzision.

Die Heidelberger Ergebnisse zeigen, dass der Cystein-Synthase-Komplex als eine Art Schaltstelle fungiert, die gleich mehrere Umweltsignale zusammenführt. Damit verbindet er Lichtintensität, Nährstoffstatus und Wasserverfügbarkeit zu einem komplexen Entscheidungsprozess. Das macht die Pflanze zu einem lernfähigen Organismus – im Rahmen ihrer biologischen Möglichkeiten.

Arabidopsis als Modell – und Hoffnungsträger

Getestet wurde der Mechanismus an der unscheinbaren Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), einem häufig genutzten Modellorganismus der Pflanzenforschung. In den Experimenten gelang es, Varianten zu erzeugen, die Trockenheit länger überstehen, ohne im Wachstum beeinträchtigt zu werden. Für Hell und Wirtz ist das mehr als ein wissenschaftlicher Erfolg: Es ist ein möglicher Ansatzpunkt, um Nutzpflanzen robuster gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.

Die Entdeckung könnte also auch für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit relevant werden. Wenn Mais, Weizen oder Soja künftig ähnlich präzise auf Trockenstress reagieren könnten, ließe sich der Wasserverbrauch in der Agrarproduktion deutlich senken.

Von Heidelberg nach Nanjing – Forschung mit globalem Ziel

An der Studie beteiligt waren auch Forschende der Nanjing Agricultural University in China. Finanziert wurde das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Ergebnisse erschienen in der Fachzeitschrift Nature Communications.


Kurzinfo: Pflanzen steuern ihren Wasserverbrauch selbst
• Forschungsteam der Universität Heidelberg entdeckt neuen Trockenheitsmechanismus
• Cystein-Synthase-Komplex in den Chloroplasten fungiert als molekularer Sensor
• Er aktiviert die Bildung des Hormons Abscisinsäure (ABA)
• Dieses Hormon schließt Poren auf den Blättern, um Wasser zu sparen
• Signale stammen aus Wurzeln und Lichtstress
• Arabidopsis-Pflanzen überstehen Trockenheit ohne Wachstumsverlust
• Forschung in Kooperation mit Nanjing Agricultural University
• Ziel: widerstandsfähigere Nutzpflanzen gegen Klimawandel entwickeln


Originalpublikation:
S.-K. Sun et al.,

The plastid cysteine synthase complex regulates ABA biosynthesis and stomatal closure in Arabidopsis.

Nature Communications (published online 8 October 2025);

DOI: 10.1038/s41467-025-64705-3

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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