Forschende warnen vor einer neuen Ära extremer Dürre

Forschende warnen vor einer neuen Ära extremer Dürre

Leere Stauseen sind ein sichtbares Symptom: in naher Zukunft drohen Dürre-Hotspots rund um den Mittelmeerraum, im südlichen Afrika und in Teilen Nordamerikas. Neben städtischen Räumen sind von den Folgen besonders ländliche Regionen im globalen Süden betroffen.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Die Rechnung ist einfach, die Folgen sind es nicht: Wenn die Nachfrage nach Wasser die verfügbare Menge aus Niederschlag, Flüssen und Speichern übersteigt, ist der „Day Zero“ erreicht. Eine neue Studie des IBS Center for Climate Physics an der Pusan National University zeigt, wie schnell diese rote Linie in vielen Regionen näher rückt – beschleunigt durch die Erderwärmung und verstärkt durch wachsenden Verbrauch in Städten und auf Feldern. Die Forschenden sprechen von Day Zero Droughts, kurz DZD, und datieren deren Erstauftreten deutlich früher, als viele Planer bisher annahmen.

Die neue Messlatte für Knappheit

Day Zero Droughts markieren den Zeitpunkt, an dem der lokale Bedarf die regional verfügbare Wassermenge übersteigt. Grundlage der Analyse ist die neueste Generation von Klimamodellen unter den Emissionspfaden SSP3-7.0 und SSP2-4.5. Im Fokus stehen hydrologische Verbundereignisse: lang anhaltende Regenfehlbeträge, verringerte Abflüsse und steigende Entnahmen. Die Modelle lassen wenig Zweifel: In den nächsten Jahrzehnten wächst das Risiko scharf. Städte wie Kapstadt und Chennai, die 2018 und 2019 nur knapp an einem Systemkollaps vorbeigeschrammt sind, gelten als warnende Vorboten.

Hotspots zwischen Olivenhain und Savanne

Die Studie identifiziert robuste DZD-Hotspots rund um den Mittelmeerraum, im südlichen Afrika und in Teilen Nordamerikas. Urbanräume sind besonders verletzlich, ländliche Regionen in Nord- und Südafrika sowie in Teilen Asiens tragen zugleich die schwersten Folgen. Laut Simulationen könnten schon in den nächsten 15 Jahren 35 Prozent der besonders gefährdeten Regionen erstmals Day-Zero-Ereignisse erleben. Bis zum Ende des Jahrhunderts drohen weltweit etwa 750 Millionen Menschen betroffen zu sein, darunter rund 470 Millionen Stadtbewohnerinnen und -bewohner sowie 290 Millionen in ländlichen Gebieten. Der Mittelmeerraum weist die höchste urbane Exponierung auf – von Küstenstädten mit Tourismusdruck bis zu Binnenmetropolen mit alternder Infrastruktur.

Was die Modelle wirklich sagen

Erfasst wurden Niederschlag, Flüsse und Stauseen; Grundwasser bleibt bewusst außen vor – ein konservativer Ansatz, der Risiken eher unterschätzt als überzeichnet. Entscheidend ist die Dynamik der Nachfrage: Steigen Entnahmen weiter, geraten Speicher zuerst ins Wanken. Korrespondierender Autor Christian Franzke warnt vor einer zusätzlichen Schwachstelle großer Reservoirs. „Nach unseren Berechnungen könnten aufgrund zunehmenden hydrologischen Stresses 14 Prozent der großen Wasserreservoire bereits während ihrer ersten Day-Zero-Ereignisse austrocknen, mit schweren Folgen für die Lebensgrundlagen der Menschen“. Solche Kippmomente treffen Landwirtschaft, Energieversorgung und Gesundheitssysteme zugleich – und sie treffen häufig die Ärmsten zuerst.

Städte am Limit, Landstriche ohne Netz

Die urbane Verwundbarkeit wächst, weil Bevölkerungen zunehmen und Kühl-, Industrie- sowie Haushaltsbedarf steigen. Gleichzeitig schrumpfen in langen Trockenphasen die Polster der Flüsse. Erstautorin Ravinandrasana fasst zusammen: „Unsere Studie zeigt, dass die globale Erwärmung Day-Zero-Dürrebedingungen weltweit verursacht und beschleunigt. Selbst wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen, werden Hunderte Millionen Menschen mit beispiellosen Wasserknappheiten konfrontiert sein.“ Ihr zweiter Befund richtet sich gegen falsche Sicherheitsgefühle: „Day-Zero-Dürren sind kein fernes Szenario mehr: Sie passieren bereits. Ohne sofortige Anpassung und nachhaltiges Wassermanagement werden wahrscheinlich Hunderte Millionen Menschen in Zukunft beispiellosen Wasserknappheiten ausgesetzt sein.“ Damit rückt die Frage nach gerechter Zuteilung ins Zentrum kommunaler Politik – und die Abwägung, welche Nutzungen in der Krise Vorrang haben.

Was jetzt zu tun ist

Patentrezepte gibt es nicht, doch die Studie deutet Hebel an. Erstens Effizienz: Tropf- statt Flutbewässerung, digitale Leckage-Suche, Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser, wassersparende Geräte. Zweitens Diversifizierung: Ein Mix aus Oberflächen-, Wiederverwendungs- und saisonalen Speichern vermindert die Abhängigkeit von einzelnen Stauseen. Drittens Steuerung: kluge Tarife mit sozialem Ausgleich, flexible Entnahmegrenzen, klare Prioritäten in Engpässen. Dazu Governance, die Daten offenlegt, Frühwarnsysteme etabliert, lokale Communities beteiligt und Szenarien fortlaufend aktualisiert. Forschung bleibt Teil der Lösung, weil nur robuste Projektionen robuste Entscheidungen ermöglichen – vom städtischen Notfallplan bis zur ländlichen Speicherinitiative.


Kurzinfo: Day Zero Drought – wichtigste Fakten

  • Day Zero Drought Zeitpunkt wenn lokale Nachfrage verfügbarer Wassermenge aus Niederschlag Flüssen Speichern übersteigt
  • Studie IBS Center for Climate Physics Pusan National University Kooperation
  • Modelle Emissionspfade SSP3-7.0 und SSP2-4.5 hydrologische Verbundereignisse
  • Quellen Niederschlag Flüsse Reservoirs Grundwasser nicht berücksichtigt
  • Zeithorizont erstmals DZD in 35 Prozent gefährdeter Regionen innerhalb 15 Jahren
  • Betroffene bis 2100 rund 750 Millionen Menschen davon 470 Millionen städtisch 290 Millionen ländlich
  • Hotspots Mittelmeerraum südliches Afrika Teile Nordamerikas höchste urbane Exponierung im Mittelmeerraum
  • Risiko Reservoire 14 Prozent könnten beim ersten DZD austrocknen
  • Urbane Treiber Bevölkerungswachstum Kühlung Industrie
  • Maßnahmen Effizienz Leckagekontrolle Wiederverwendung Diversifizierung Steuerung transparente Governance Frühwarnsysteme

Originalpublikation

FRANZKE, Christian et al.,

The First Emergence of Unprecedented Global Water Scarcity in the Anthropocene. In: Nature Communications.

DOI: 10.1038/s41467-025-63784-6

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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