Simulationen zeigen: Nahezu 90 Prozent der Wärme bringenden infraroten Strahlung werden mit der neuen Folie blockiert, während immerhin rund 51 Prozent des für die Photosynthese optimalen Lichts die Schicht durchdringen kann.
(Bild: UC Davis)
Wer im Hochsommer in ein Gewächshaus tritt, spürt sofort die Hitzefalle: Die Luft steht, die Temperatur steigt, Pflanzen welken, Bewässerung und Ventilatoren laufen auf Hochtouren. Doch nun haben Forschende der University of California, Davis, eine Folie entwickelt, die wie eine Sonnenbrille für Pflanzen funktioniert – sie filtert Wärme heraus, ohne das lebenswichtige Licht für die Photosynthese zu blockieren.
Die Herausforderung im Treibhaus
Gewächshäuser gelten als Hoffnungsträger der Landwirtschaft: Sie ermöglichen hohe Erträge, sparen Land und Dünger, verlängern Anbausaisons. Doch gerade in heißen Regionen wie Kalifornien, dem Mittelmeerraum oder dem Nahen Osten wird die Hitze zum Problem. Mechanische Belüftung und Verdunstungskühlung kosten große Mengen Strom und Wasser – Ressourcen, die vielerorts knapp sind.
Bisherige Lösungen wie Schattiernetze lindern das Problem nur bedingt. Sie verdunkeln zwar die Umgebung, nehmen Pflanzen aber zugleich das für ihr Wachstum entscheidende photosynthetisch aktive Licht (PAR). Genau an diesem Widerspruch setzt das neue Material an.
Eine Folie aus vielen Schichten
Das Team um Postdoktorand Amrit Kumar Thakur hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Elektrotechnik und Agrarwissenschaft eine Folie entwickelt, die gezielt Infrarotstrahlung reflektiert, während das nützliche Licht durchgelassen wird. Das multilagige Material – bestehend unter anderem aus Zinkoxid, Calciumfluorid und Silber – wirkt wie ein Filter, der nur die richtigen Wellenlängen passieren lässt.
In Simulationen zeigte sich: Nahezu 90 Prozent der Wärme bringenden infraroten Strahlung wurden blockiert, während immerhin rund 51 Prozent des für die Photosynthese optimalen Lichts die Schicht durchdringen konnten. Der Name der Innovation: „Cool-Cover“.
Energie und Wasser sparen
Doch wie wirkt sich das im Alltag aus? Mithilfe eines etablierten Klimamodells für Standardgewächshäuser berechnete das Team die Effekte in verschiedenen Regionen mit heißen Sommern und milden Wintern. Das Ergebnis: Mit der Beschichtung ließe sich sowohl der Energieverbrauch für Kühlung als auch der Wasserbedarf deutlich senken – und das bei nur geringen Einbußen beim Ertrag.
Gerade in Gegenden mit hoher Sonneneinstrahlung und knappen Wasserressourcen könnte diese Bilanz entscheidend sein. Statt den Sommer über hektisch zu kühlen, könnten Landwirte ihre Gewächshäuser mit passiver Technik stabil halten und dabei Strom und Wasser sparen.
Balanceakt zwischen Ertrag und Ressourcenschutz
Die Forschenden betonen, dass ein kleiner Ertragsrückgang zugunsten von Ressourcenersparnissen bewusst in Kauf genommen werden muss. Ein Gewächshaus, das etwas weniger Tomaten liefert, dafür aber massiv weniger Wasser und Strom verbraucht, kann langfristig nachhaltiger wirtschaften.
In Regionen wie Fresno, wo Wasserknappheit längst Alltag ist, könnte eine solche Technologie den Ausschlag geben. Sie verbindet Ökonomie mit Ökologie – und ermöglicht einen Anbau, der auf die Klimakrise reagiert, statt sie zu verschärfen.
Vom Labor ins Feld
Noch existiert die Folie vor allem als Modell und Prototyp. Gemeinsam mit dem Lawrence Berkeley National Laboratory arbeitet das Team an einer praxisnahen Variante. Eine Patentanmeldung ist bereits erfolgt. Sollte sich das „Cool-Cover“ in der Praxis bewähren, könnten bald ganze Gewächshausdächer mit dieser unscheinbaren, aber hochwirksamen Beschichtung versehen werden.
Für die Landwirtschaft eröffnet sich damit ein neuer Weg: Nicht mehr nur Technik und Energieeinsatz, sondern gezielte Lichtlenkung bestimmt das Klima unter Glas. Die Pflanzen tragen dabei quasi Sonnenbrillen – und die Erde könnte ein Stück nachhaltiger ernährt werden.
Kurzinfo: Hightech-Folie für nachhaltige Gewächshäuser
- Forschung: University of California, Davis, in Kooperation mit Lawrence Berkeley National Laboratory
- Problem: Überhitzung von Gewächshäusern in heißen Regionen, hoher Energie- und Wasserverbrauch
- Lösung: Multilayer-Folie („Cool-Cover“) aus Zinkoxid, Calciumfluorid, Silber
- Wirkung: Reflektiert fast 90 Prozent der Wärmestrahlung, lässt 51 Prozent photosynthetisch aktives Licht durch
- Simulation: Deutlich weniger Kühlenergie und Wasserbedarf, nur kleine Einbußen beim Ertrag
- Anwendung: Besonders relevant in heißen, wasserarmen Regionen wie Kalifornien oder Naher Osten
- Vorteil: Passiver Hitzeschutz ohne laufende Betriebskosten
- Status: Patentanmeldung eingereicht, Produktion in Vorbereitung
- Perspektive: Beitrag zu ressourcenschonender, klimaangepasster Landwirtschaft
Originalpublikation:
Amrit Kumar Thakur et al., Spectrally Engineered Greenhouse Cool Cover for Energy and Water Efficiency in Diverse Climates (27-Aug-2025) in: Advanced Energy and Sustainability Research DOI: 10.1002/aesr.202500217//
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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