Nur knapp 1,5 Prozent aller grünen Projekt weltweit werden von Öl- und Gaskonzernen finanziert – nur jeder fünfte Konzern investiert überhaupt in Erneuerbare Energien.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
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Von außen betrachtet geben sich viele Öl- und Gaskonzerne heute grün: Hochglanzbroschüren zeigen Windräder, Solarfelder und lächelnde Ingenieurinnen. Doch die Realität ist ernüchternd. Eine Studie des Instituts für Umweltwissenschaft und Technologie der Autonomen Universität Barcelona (ICTA-UAB) hat untersucht, wie stark die fossile Industrie tatsächlich an der Energiewende beteiligt ist – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Sie spielt nur eine Nebenrolle.
Ein Prozent grüne Projekte – der Rest bleibt fossil
Laut der in Nature Sustainability veröffentlichten Analyse sind die weltweit größten 250 Öl- und Gasunternehmen für 88 Prozent der globalen Fördermengen verantwortlich. Doch nur 20 Prozent von ihnen betreiben überhaupt ein Erneuerbare-Energien-Projekt – meist nur ein kleines Wind- oder Solarfeld, oft über Tochterfirmen oder Beteiligungen. Zusammengenommen kontrollieren sie lediglich 1,42 Prozent aller grünen Projekte weltweit.
Das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Besonders bemerkenswert: Nur 0,1 Prozent ihrer gesamten Energieproduktion stammt aus erneuerbaren Quellen. Damit steht die fossile Branche weit hinter ihren eigenen Versprechen zurück, bei der Energiewende eine führende Rolle einzunehmen.
Leere Worte statt Klimaschutz
Die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Wirklichkeit sei frappierend, sagt Studienleiter Marcel Llavero-Pasquina vom ICTA-UAB. „Die Investitionen von Öl- und Gasfirmen in erneuerbare Energien sind bestenfalls anekdotisch. Ihr Beitrag zum Klimaschutz sollte allein danach bewertet werden, wie viel fossile Energie sie im Boden lassen,“ erklärt er.
Llavero-Pasquina geht noch weiter. Nach Jahrzehnten des Greenwashings, so der Forscher, sei es an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen. „Regierungen, Universitäten und öffentliche Institutionen müssen erkennen, dass die fossile Industrie Teil des Problems bleibt – nicht der Lösung,“ fordert er. Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell weiter auf Öl und Gas stützen, dürften bei klimapolitischen Entscheidungen keinen Platz am Tisch haben.
Greenwashing mit globaler Reichweite
Das Narrativ der Branche – man investiere massiv in Wind und Sonne – wird von vielen Regierungen, internationalen Organisationen und selbst Forschungseinrichtungen noch immer mitgetragen. Doch laut den Autorinnen und Autoren der Studie ist genau das gefährlich. Denn die fossilen Großkonzerne nutzen ihre PR-Kampagnen, um politischen Einfluss zu behalten und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu verzögern.
Auch Julia Steinberger, Professorin an der Universität Lausanne, sieht darin ein strukturelles Problem. Die Industrie sei, so Steinberger, „weit davon entfernt, tatsächlich auf erneuerbare Energien umzusteigen – trotz grüner Slogans und Hochglanzkampagnen.“ Hinter Marketingbegriffen wie „Net Zero“ oder „Clean Future“ stehe oft ein leeres Versprechen.
Das Märchen vom grünen Öl
Besonders deutlich wird die Diskrepanz beim Vergleich der Investitionssummen: Während die Öl- und Gasindustrie jährlich hunderte Milliarden Dollar in neue Förderprojekte steckt, fließen nur Bruchteile davon in Wind- oder Solarenergie. Laut der Studie ist der Anteil der Konzerne an der globalen erneuerbaren Stromerzeugung so gering, dass selbst einzelne Stadtwerke in Europa oder Asien mehr Kapazität aufbauen als viele der großen fossilen Player zusammen.
Kasandra O’Malia vom Global Energy Monitor bringt es auf den Punkt: „Öl- und Gasunternehmen investieren schlicht nicht in Erneuerbare, wie sie es versprochen haben. Alles andere ist Greenwashing.“ Ihre Organisation hatte die Datengrundlage für die Studie bereitgestellt und betont, dass Transparenz bei Investitionen der Schlüssel sei, um Fortschritt von PR zu unterscheiden.
Fazit: Ein Prozent Glaubwürdigkeit
Die Ergebnisse stellen ein Schlaglicht auf die Glaubwürdigkeitskrise der fossilen Industrie. Während immer mehr Staaten auf Klimaneutralität drängen, klammern sich die großen Produzenten an ein Geschäftsmodell aus dem 20. Jahrhundert. Solange Öl und Gas Rekordgewinne bringen, fehlt der ökonomische Anreiz für echten Wandel.
Doch genau dieser Wandel ist nötig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Und vielleicht, so die Forscher, ist die wichtigste Lehre dieser Studie nicht die Statistik selbst – sondern das Eingeständnis, dass die Energiewende nicht von jenen getragen werden kann, die am meisten vom Status quo profitieren.
Kurzinfo: Fossile Konzerne und Erneuerbare
• Neue Studie des ICTA-UAB zeigt: Öl- und Gasfirmen kontrollieren nur 1,42 Prozent der globalen Erneuerbaren-Projekte
• Datenbasis: Global Energy Monitor, 250 größte Produzenten weltweit
• Nur 20 Prozent der Unternehmen besitzen ein grünes Projekt
• Anteil Erneuerbarer an ihrer Gesamtförderung: 0,1 Prozent
• Kritische Stimmen fordern Ausschluss fossiler Firmen aus Klimapolitik
• Beispielhafte O-Töne aus Lausanne und Global Energy Monitor
• Zentrale Kritik: Greenwashing statt Energiewende
Originalpublikation:
Julia Steinberger et al.,
Oil and gas industry’s marginal share of global renewable energy.
In: Nature Sustainability (9-Oct-2025)
DOI: 10.1038/s41893-025-01647-0
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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