Klimatricks der Tiefsee: Wie der Südliche Ozean das Weltklima kühlt

Klimatricks der Tiefsee: Wie der Südliche Ozean das Weltklima kühlt

Mit einer neuen, laserbasierten Methode rekonstruierten die Forschenden erstmals im Detail, wie stark sich die Wasserschichten des antarktischen Ozeans in früheren Warmzeiten vermischten – oder eben nicht. Eine stabile Schichtung hielt offenbar CO2 effektiv in der Tiefsee fest.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Kurzinfo: Der Südozean als Klimaschalter

  • Neue Studie in Nature Communications zeigt Einfluss des Südlichen Ozeans auf das Klima
  • Analysen von Mangankrusten aus 1.600 Metern Tiefe
  • Laserbasierte 2D-Ablationsmethode zur Datierung und Isotopenanalyse
  • Stärkere Schichtung hielt CO₂ in der Tiefe zurück
  • Führte zu kühleren Warmzeiten vor 430.000 Jahren
  • Schlüsselrolle des Ozeans für globale CO₂-Bilanzen
  • CO₂-Werte damals: 240–260 ppm, heute über 420 ppm

Die Erde hat schon viele Klimaschwankungen erlebt – Eiszeiten, Warmzeiten, lange Übergänge dazwischen. Doch nicht alle Warmphasen waren gleich warm. Zwischen 800.000 und 430.000 Jahren vor heute blieb es trotz förderlicher Bedingungen vergleichsweise kühl. Warum, das konnte niemand so recht erklären – bis jetzt. Eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Laoshan Laboratory in Qingdao hat den Südozean als entscheidenden Akteur identifiziert.

Mit einer neuen, laserbasierten Methode rekonstruierten die Forschenden erstmals im Detail, wie stark sich die Wasserschichten des antarktischen Ozeans damals vermischten – oder eben nicht. Das Ergebnis: Eine „geschichtete“ Tiefsee hielt das Kohlendioxid im Meer gefangen und kühlte so das Klima.

Die Spur im Gestein der Tiefsee

Für ihre Analysen griff das Team auf eine Mangankruste vom antarktischen Kontinentalrand zurück – rund 1.600 Meter unter der Wasseroberfläche. Diese Krusten wachsen extrem langsam, Schicht für Schicht, und speichern über Jahrtausende hinweg die chemische Signatur des Meerwassers.

Mit einem neuartigen Laser-Verfahren – der sogenannten zweidimensionalen Laserablation – gelang es, winzige Materialproben zu verdampfen und deren Blei-Isotope zu bestimmen. So ließ sich erkennen, wie stark sich die oberen und unteren Wasserschichten des Südozeans in der Vergangenheit mischten.

„Unsere Daten zeigen erstmals, dass eine stärkere Schichtung des Südlichen Ozeans entscheidend war für die vergleichsweise kühlen Warmzeiten vor dem sogenannten Mid-Brunhes-Ereignis“, sagt Studienleiter Dr. Huang Huang. „Mit unserem neuen methodischen Ansatz konnten wir sogar kurzfristige Veränderungen im Ozean erkennen – und damit ein viel detaillierteres Bild der damaligen Dynamik gewinnen.“

Ein Klima-Kipppunkt in der Erdgeschichte

Das Mid-Brunhes-Ereignis markiert eine Art Wendepunkt: Vor rund 430.000 Jahren änderten sich die Zyklen der Warmzeiten deutlich. Seitdem waren sie wärmer, dauerten länger – und die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre stieg auf bis zu 300 Teilchen pro Million. Zum Vergleich: Heute liegt sie bei über 420 ppm, also deutlich darüber.

Die Forschenden sehen die damaligen Unterschiede als Beleg dafür, wie sensibel das Klimasystem auf Veränderungen im Ozean reagiert. Eine stärker geschichtete Wassersäule bedeutete, dass weniger CO₂ aus der Tiefe in die Atmosphäre aufstieg. Das schwächte den Treibhauseffekt, kühlte das Klima und ließ die antarktische Eisdecke wachsen.

Lasertechnik als Schlüssel zur Klimageschichte

Im Labor von GEOMAR-Physiker Dr. Jan Fietzke in Kiel kommt modernste Lasertechnik zum Einsatz. Hier wurde das 2D-Laserablation-Verfahren entwickelt, das die Analyse solcher Mangankrusten überhaupt erst ermöglicht.

„Diese neue Lasermethode eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Rekonstruktion des Klimas“, erklärt Fietzke. „Sie hilft uns, die Rolle des Südlichen Ozeans im globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen – und das ist auch für die Vorhersage künftiger Klimaentwicklungen relevant.“

Mit der Technik lässt sich nicht nur die chemische Zusammensetzung analysieren, sondern auch das Alter einzelner Schichten exakt bestimmen. Dadurch entsteht ein Zeitraffer-Bild, das selbst feine Schwankungen über Hunderttausende von Jahren sichtbar macht.

Ozeane als Klimamaschine

Die Studie zeigt, wie eng Meer und Atmosphäre miteinander verflochten sind. Der Südozean funktioniert gewissermaßen als globaler Thermostat: Wenn seine tiefen Wasserschichten aufsteigen, gelangt gespeichertes CO₂ an die Oberfläche und in die Luft – die Erde erwärmt sich. Wenn sie stabil getrennt bleiben, kühlt das Klima ab.

„Der Südozean hat in der Vergangenheit das globale Klima stärker beeinflusst, als wir lange angenommen haben“, sagt Huang. „Das hilft uns zu verstehen, warum manche Warmzeiten in der Erdgeschichte milder blieben – und wie sich ähnliche Prozesse in Zukunft auswirken könnten.“

Was die Vergangenheit über die Zukunft verrät

Dass die Erde in der Lage ist, über Ozeanprozesse CO₂ zu speichern, gilt auch für heutige Klimamodelle als Schlüsselfaktor. Eine zunehmende Erwärmung könnte die Meeresströmungen verändern und das Gleichgewicht kippen. Die neue Studie erinnert daran, dass in der Tiefe der Weltmeere einer der mächtigsten Klimahebel überhaupt verborgen liegt.


Originalpublikation:

Huang Huang et al.,

Enhanced deep Southern Ocean stratification during the lukewarm interglacials

In: Nature Communications (6-Oct-2025)

DOI: 10.1038/s41467-025-63938-6

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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